Nach der FDA (US-amerikanische Gesundheitsbehörde) warnt jetzt auch die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur): Patienten, die mit SGLT2-Inhibitoren behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko für eine atypische diabetische Ketoazidose (DKA)!

Bis dato wurde die DKA, eine lebensgefährliche Stoffwechselentgleisung, immer nur mit Typ 1 Diabetes in Verbindung gebracht. Ursache ist ein absoluter Insulinmangel, der den Blutzucker deutlich ansteigen lässt. Da die Glukose nicht in die Zellen gelangen kann, muss der Organismus zur Energiegewinnung auf Fette und Ketonkörper ausweichen, was zur Übersäuerung des Blutes führt, die neben dem Acetongeruch der Atemluft für die Ketoazidose typisch ist. Typ 2 Diabetiker haben wegen der Insulinresistenz aber in der Regel erhöhte Glukosespiegel, weshalb üblicherweise keine Ketoazidose auftritt.

Die meisten Patienten, die mit SGLT2-Inhibitoren behandelt werden, haben einen Typ 2 Diabetes. Gerade aber bei diesen Patienten waren Ketoazidosen aufgetreten. Eine weitere Besonderheit war, dass die meisten Ketoazidosen mit einem normalen oder nur leicht erhöhten Blutzucker (tlw. <200 mg/dl) einhergingen. Auch dies ist für eine Ketoazidose ungewöhnlich, da hier meist deutlich erhöhte Blutzuckerwerte vorzufinden sind.


Inzwischen gilt als erwiesen, dass es eine atypische (euglykämische) Ketoazidose gibt und dass die SGLT2-Inhibitoren ein möglicher Auslöser sind. SGLT2-Inhibitoren führen in der Regel zu einem spürbaren Abfall des Blutzuckers, der vermehrt über die Nieren ausgeschieden wird. Dieser starke, eigentlich erwünschte Glukoseverlust, könnte bei einigen Patienten mit Typ 2 Diabetes eine Ketoazidose auslösen. Denn die im Körper verfügbare Glukose sinkt, der Stoffwechsel steigert, um den Energiebedarf zu decken, die Lipolyse und die Lipidoxidation. Es kommt zur Mobilisierung von freien Fettsäuren und Triglyzeriden, aus denen Ketonkörper entstehen.

Alle Patienten, die mit einem der 3 in Europa zugelassenen SGLT2-Inhibitoren (Canagliflozin, Dapagliflozin und Empagliflozin) behandelt werden, sollten auf die Symptome der diabetischen Ketoazidose hingewiesen werden.

In Österreich sind das folgende Präparate:

  • Canagliflozin: Invokana (Vokanamet*)
  • Dapagliflozin: Forxiga (Xigduo*)
  • Empagliflozin: Jardiance (Synjardy*)

    *Kombination mit Metformin

Verdächtig sind ein schneller Gewichtsverlust, Übelkeit oder Erbrechen, Bauchschmerzen, übermäßiger Durst, schnelle und tiefe Atmung, Verwirrtheit, ungewöhnliche Erschöpfung oder Müdigkeit sowie ein süßer Geruch der Atemluft, ein süßer oder metallischer Geschmack im Mund oder ein abweichender Geruch von Urin oder Schweiß.

Patienten sollen geschult werden, bei Auftreten dieser Symptome ihren Arzt zu kontaktieren. Ärzte sollten in diesem Fall die Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren sofort abbrechen und erst dann wieder beginnen, wenn eine andere Ursache für die Ketoazidose gefunden wurde.

Zu den Risikofaktoren der atypischen Ketoazidose gehören eine niedrige Reserve von Insulin abgebenden Zellen, eine beschränkte Nahrungsaufnahme oder schwere Austrocknung, eine plötzliche Reduzierung des Insulins oder ein erhöhter Bedarf an Insulin aufgrund von Krankheit, Operation oder Alkoholmissbrauch. Es wird daher empfohlen, die Therapie mit SGLT2-Inhibitoren bei Patienten, die aufgrund einer schweren Krankheit oder größerer chirurgischer Eingriffe stationär behandelt werden, vorübergehend auszusetzen.

Eine weitere Warnung betrifft schwere Harnwegsinfektionen mit stationärer Therapie, denn Glukose, die ja beim Einsatz von SGLT2-Inhibitoren vermehrt ausgeschieden wird, ist ein potentieller Energielieferant für Bakterien in den Harnwegen.

SGLT2-Inhibitoren gelten als wichtige Innovation und das seltene Auftreten von Ketoazidosen dürfte daher das Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht in Frage stellen. Dennoch: Vorsicht und Aufmerksamkeit sind geboten!

Eine Möglichkeit dafür sind Messgeräte, die neben Glukose auch Ketone im Blut nachweisen können. A.Menarini bietet mit dem GlucoMen® areo 2K ein entsprechendes System für betroffene Patienten an, mit welchem unter Verwendung einer kleinen, kapillären Blutprobe jederzeit auch zu Hause der Blutketonspiegel selbst kontrolliert werden kann.

Quellen: Ärzteblatt, 7.12.15 und 17.2.16